28.07.2004

Aus der Gemeinderatssitzung

So viele Wortmeldungen zu einem Tagesordnungspunkt gab es im Neulinger Gemeinderat schon lange nicht mehr:

 

  Das Gremium hatte über einen Verwaltungsantrag zur notwendigen Gebührenanpassung bei den Kindergärten und Tageseinrichtungen zu beraten. Statt zehn Prozent sollen es nun fünf Prozent werden, um welche die Elternbeiträge ab 1. September erhöht werden sollen. Mit dieser Vorgabe kann Bürgermeister Heinz Raißle in die Anhörungsrunde mit den Elterbeiräten der Gemeindekindergärten und dem Kuratorium des Evangelischen Kindergartens Göbrichen gehen. Die Worte: „Das ist das falsche Signal“ wurden zum Synonym für die Ratlosigkeit im Rat in Sachen Deckung von Defiziten im Verwaltungshaushalt und den Eigenbetrieben. Neulingen hat vorbildliche Leistungen in der Kinder- und Schülerbetreuung, wie bei der ebenfalls beratenen Kindergartenbedarfsplanung zu hören war. Entsprechend ist der Aufwand für diese Einrichtungen, der in den Jahren 2002 bis 2007 jährlich zwischen 1,29 und 1,21 Millionen Euro schwankt, so Rechnungsamtsleiter Dieter Regelmann. Sinkende Landes- und Kreiszuschüsse, sinkende Kinderzahlen, höhere Personalkosten sind die Gründe dafür, dass das Defizit immer höher wird. Für 2004 ist der ungedeckte Aufwand mit 841.320 Euro vorausberechnet, mit steigender Tendenz für die nächsten Jahre. Dabei geht die Kinderzahl von jetzt 260 auf beispielweise 201 im Jahre 2007 zurück. Für dieses Jahr erhöht sich das Defizit zwar nur um 7.000 Euro, im nächsten Jahr fallen weiter 22.000 Euro an, die in der Finanzierung fehlen. Derzeit kostet ein Kindergartenplatz 4.655 Euro im Jahr, 388 Euro im Monat. Bei der Haushaltsberatungen hat die Verwaltung angesichts der fehlenden 900.000 Euro im Verwaltungshaushalt bereits auf die Notwendigkeit einer Erhöhung hingewiesen. Doch jetzt war der Schock im Gremium groß, für den Rest des Jahres, ab September eine Erhöhung von 65,00 Euro (Grundbeitrag) auf 71,50 Euro befürworten zu sollen, um die genannten 7.000 Euro abdecken zu können. „Dies ist das falsche Signal in der jetzigen wirtschaftlichen Situation die Belastung der Eltern zu erhöhen. Es ist mir unmöglich dieser Erhöhung zuzustimmen“, mit dieser eindeutigen Aussage eröffnete Gemeinderätin Jutta Hofsäß-Bader die Debatte. In die gleiche Richtung gingen die Stellungnahmen von Heinrich Furrer: „Ich konnte es nicht glauben“ und  Ralph Ebert: „Weg von der Einnahmenschraube und auf der Ausgabenseite heilige Kühe schlachten“ sowie weiterer Gemeinderatsmitglieder. Moderatere Töne zum Verwaltungsantrag schlugen an Roland Geisel: “Erhöhung im Rahmen der Preissteigerung“, Johann-Bernard Kleyman: „moderate Erhöhung und Verteilung der Lasten auf die Gesamtbevölkerung“ oder Rudolf Fuchs, selbst Vater von vier Kindern: „Bei den guten Leistungen der Betreuung können Eltern drei bis vier Euro mehr auch verkraften“. Angesichts  dieser  Front  konnte  Bürgermeister  Raißle

 

nicht anders: „Ich bin auch dagegen, dass wir erhöhen, sie müssen mir nur sagen, woher wir das Geld nehmen sollen. Was ist das falsche Signal? Sicherlich, wenn wir so tun als könnten wir uns alles so leisten wie bisher“. Sparvorschlage kamen: Wieder die Beleuchtung nachts abschalten, weniger Reinigen in Kindergarten und Schule, weniger Fahrzeuge oder Gerätschaften für den Bauhof, Grundstückverkäufe entsprechend verbuchen, Einführung einer Pferdesteuer, weniger Bäume in Neubaugebieten pflanzen, um Unterhaltungskosten zu sparen. „Glaubhafte Vorschläge“ verlangte der Bürgermeister. Man will bei den anstehenden Haushaltsberatungen mit den Problemen in Klausur gehen. Schließlich forderte Raißle Anträge zur Abstimmung ein. Der Antrag von Ralph Ebert auf keine Erhöhung wurde ebenso abgelehnt, wie der Verwaltungsantrag mit seinen zehn Prozent. Kleymanns Antrag auf fünf Prozent fand schließlich eine knappe Mehrheit.

 

Um viel Geld ging es auch bei einer Information zur Umschuldung von knapp 4,9 Millionen Euro Darlehen, deren Zinsbindung demnächst abläuft. Die Verwaltung sucht neue Formen der Kreditaufnahme, um zu günstigen Konditionen zu kommen. Vertreter der Sparkasse Pforzheim Calw präsentierten die moderne Kreditform des aktiven Zinsmanagements unter der jedermann verständlichen Bezeichnung „Forward-Payer-Tilgungs-Zins-Swap“. Er soll im Ergebnis bei zwei Vertragsebenen eine feste Kalkulationsgrundlage geboten werden, die langfristig die Kreditbelastung unabhängig von den Schwankungen des Kapitalmarktes mache. Auch die Kreditaufnahme in Fremdwährung, wie beispielsweise dem Schweizer Franken, könnte vorteilhaft sein. Durch kurzfristige Ein- und Ausstiege in diesem Finanzspiel könnten Zinsersparnisse erzielt und Währungsrisiken kompensiert werden. Verstanden hat nach den Meinungsäußerungen im Gemeinderat dieses Wechselspiel ver-ständlicherweise am Ende wohl kaum jemand, daher auch die sinngemäße Frage aus der Mitte des Gemeinderats, „ob diese Spekulationen für Gemeindekredite das Richtige seien“.                         

Text und Foto: Schott